Ich habe mich schon vor einer Weile ein bisschen mit dem unfassbaren Werner Rolevinck befasst und möchte dies im März 2018 nun vertiefen und euch von meiner Begeisterung berichten. Deshalb kommt das folgende Buch mit in die Turmstubenbücherei:
Werner Rolevinck: Das Buch zum Lobe Westfalens.
Herausgegeben von Annelise Raub.
Aschendorff Verlag, Münster 2002
Detaillierter: Werner Rolevinck 1425-1502, Ein Buch zum Lobe Westfalens des Sachsenlandes. Nach der Ausgabe Hermann Bückers von 1953 neu bearbeitet und herausgegeben von Annelise Raub. Illustrationen von Andreas Raub.
Im Original heißt dieses Werk:
Liber de laude antiquae Saxoniar nunc Westphaliae dictae –
was in unserer Sprache in etwa mit
„Buch vom Lobe des alten Sachsenlandes, nun Westfalen genannt“
übersetzt werden kann.
Hermann Bücker übersetzte das ganze genannte Werk 1953 aus dem Lateinischen ins Deutsche (Hermann Bücker, Werner Rolevinck [1425-1502]. Leben und Persönlichkeit im Spiegel des Westfalenbuches. In: Geschichte und Kultur, Schriften aus dem Bischöflichen Diözesanarchiv 4. Münster 1953).
Wer ist also dieser Werner Rolevinck?
Werner Rolevinck stammt aus einer Großbauernfamilie in Laer bei Horstmar, wird 1425 geboren und geht in die Geschichte ein als Kartäusermönch und erfolgreicher Schriftsteller in der äußerst interessanten Umbruchszeit vom Mittelalter zur Neuzeit.
Es wird angenommen, dass er zunächst die Stadtschule zu Coesfeld und die Domschule zu Münster (das spätere Gymnasium Paulinum) besucht. Dann schreibt er sich mit 19 Jahren als „Wern[er] Rolevynck, Mon[asteriensis] d[iocesis]“ an der Universität zu Köln für Rechtswissenschaften ein.
Und 1447 tritt Werner Rolevinck dann in die Kartause St. Barbara ein, mit etwa 23 Jahren.
Hier herrschen strenge Vorgaben zum Beten und Fasten, auch Schweigegebote gibt es.
Aber auch als Mönch tauscht er sich schriftlich rege mit seinen Mitmenschen aus. Ab und an verlässt er offenbar das Kloster, um an Synoden und Ordenskapiteln teilzunehmen. Sein Werk ist enorm, viele exegetische Schriften (Auslegungen der Briefe des Neuen Testaments) und religiöse Traktate, Heiligenbiographien, und interessant ist zum Beispiel auch das Kompendium zur Weltgeschichte (Fasciculus temporum omnes antiquorum chronicas complectens), das ins Niederländische, Französische und Spanische übersetzt worden ist und neuartige graphische Elemente enthält.
Vermutlich 1478 erscheint das hier vorliegende Lob Westfalens in Köln bei dem Inkunabeldrucker Arnold Therhoernen – eine unstreitbar wichtige und kritische Quelle zum westfälischen Brauchtum im Spiegel seiner Zeit.
Es ist in drei Teilen aufgegliedert:
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Im ersten Teil geht es um den geschichtlichen Überblick vom Anfang bis zur Christianisierung (das Highlight des Historytainments in diesem Teil: der Sieg über die Römer im Teutoburger Wald – die Christianisierung erfolgte natürlich wesentlich später).
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Im zweiten Teil geht es um die Missionierung des Sachsenlandes (Stichwort Karl der Große, ihr wisst schon: Liudger gründet das Kloster=Monasterium, daraus wird im Laufe der Jahrhunderte unser schönes Münster).
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Im dritten Teil geht es um Anekdoten, Bräuche und Eigenschaften der Rolevinckschen Landsleute (Hashtags: #bodenständig, #zäh, #rechtschaffen).
Besonders der dritte Teil ist ein seinerzeit ungewöhnliches Stück Kulturgeschichte (die Hashtags habe ich dazugedichtet)!
Zu seinen Lebzeiten war die Resonanz auf das Westfalenbuch anscheinend nicht so hoch wie erwartet, die Weltgeschichte (Fasciculus) war weit erfolgreicher. Heute nennen wir es zu den Rarissima zählend, das bedeutet, die Inkunabeln, die erhaltenen Exemplare der Erstauflage, zählen nur ungefähr 30 Stück. Hat jemand von meinen geschätzten Antiquar-Freunden vielleicht ein Exemplar im Safe herumliegen, hmmm?
In dem Buch definiert Rolevinck Westfalen als Landschaft verschiedener Territorien, eine großräumliche Lage mit Grenzen und Nachbarregionen. Und obwohl er seit ungefähr 30 Jahren bei Erscheinen des Westfalenlobes nicht mehr in seiner alten Heimat gewesen ist, zeigt sich ein großes Wissen über Ortsnamen, inhaltliche Besonderheiten und Landschaften. Wahrscheinlich hat er zudem Zugriff auf eine gut ausgestattete Klosterbücherei. Man muss allerdings wissen: Richtige detaillierte Karten waren erst weit nach Rolevincks Zeit (vermutlich erst im 16. Jahrhundert) verbreitet und zugänglich.
Rolevinck ist offenbar ein blitzgescheiter Fuchs – er wird als der erste Autor beschrieben, der gezielt auf die völlig neue Erfindung des Buchdrucks hinschreibt. Er schreibt in klarem, einfachen Stil, kann auch komplizierte Dinge nachvollziehbar darstellen und erreicht so eine ziemlich breite Öffentlichkeit.
Heutzutage würde er sicherlich sämtliche Social Media Kanäle nutzen und eine Menge Follower begeistern!
Am 26. August 1502 stirbt Werner Rolevinck, ungefähr 78jährig, im Zuge der damals auch in Köln wütenden Pestepidemie. Fünf Jahre zuvor konnte er noch sein 50jähriges Ordensjubiläum in St. Barbara feiern.
In seinem Nachruf aus dem Kloster heißt es:
„Gelehrsamkeit und Tugend besaß er in solchem Maße, daß man ihn den erleuchteten und heiligen Pater nannte. Er war ein ausgezeichneter Geschichtssschreiber, ein guter Kenner des Kirchenrechts, ein gründlicher Theologe, ein hervorragender Erklärer der heiligen Schrift und, was die Hauptsache ist: ein tief innerlicher Mensch. Den Westfalen aber hat er ein Bild ihres Landes geschenkt, das die Anschauungen über Westfalen über lange Zeit nachhaltig geprägt hat. Daher zählt Rolevinck mit Recht zu den Großen unter seinen Landsleuten.“
Der Rolevinckhof in Laer
Die Geschichte um den Familienhof der Rolevincks ist ebenfalls eine eigene Recherche wert:
Der letzte Rolevinck auf dem Rolevinckhof in Laer hieß Heinrich Rolevinck. Ohne Nachkommen ging der Hof an dessen Neffen Bernhard Schulze Dahl. Auch er hatte keine Kinder, und wieder erbte ein Neffe den Hof: Fernando (eigentlich Ferdinand) Schulte Altenroxel, geboren 1898 in Südafrika. Aus seiner Familie stammte die Erste Deutsche Cigarettentabak-Pflanzung „Dreizehnlinden“ – das Wissen erlangten sie auf der Farm namens „Westfalia“ in Südafrika…
Heute ist die Familie Overesch gnt. Schulte Altenroxel für den Hof und weitere Immobilien verantwortlich – darunter auch schöne Ferienwohnungen! – und auch in der Pferdezucht haben sie sich einen Namen gemacht.
Prof. Peter Johanek, ehemaliger Leiter des Instituts für vergleichende Städtegeschichte der Universität Münster, hat sich ausgiebig mit Werner Rolevinck und dessen Werk und Bedeutung für die Region Westfalen beschäftigt. Ich habe vor einiger Zeit einen sehr interessanten Vortrag von ihm hören können.
Links:
Werner-Rolevinck-Grundschule in Laer (www.grundschule-laer.de)
Rolevinck-Hof in Laer (www.rolevinckhof.de)
Hans Jürgen Warnecke: Das Hofrecht von Schulze Rolevinck in Laer, ein Beitrag zur Lebensgeschichte Werner Rolevincks und zum Erscheinen seines Westfalenbuches (Klick!) – auch in der ULB Münster erhältlich!
Eine ULB-Suche zeigt vielerlei Rolevinckia, auch eine Einordnung des Bauernspiegels „De regime rusticorum“… (Such- und Ausleih-Tipp: www.disco.uni-muenster.de)
Virtuelle Seite von Laer (www.laer.de)
Westfalenlob-Blog; der Name ist eine Reverenz an Werner Rolevinck (westfalenlob.bankstil.de)